Mit das Allerschönste an Benefizkonzerten ist, dass deren Gäste salopp gesagt drei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens kommt man in den Genuss oft ungemein hochklassiger Musik. Zwei- tens kann und sollte man die- sen Genuss mit einer Spen- de honorieren, man muss dasaber nicht. Und drittens fließen derartige Spenden nahezu aus- schließlich solchen Empfän- gern zu, die damit etwas über- aus Sinnvolles bewirken.
Cornelia Bruno und Manuela Lufaj vom Verein „Aktion Kinderschutz“ freuten sich sehr darüber, aus den Händen von Tatjana Worm-Sawosskaja und Detlev Helmer (v.l.) einen Spendenscheck für die Präventionsarbeit dieses Vereins entgegenzunehmen.
Exakt das gilt auch für das Kon-zert „Klassik für alle“, das die Konzertpianistin Tatjana Worm- Sawosskaja am 6. September im Lutherhaus gab und bei dem sie zur Riesenbegeisterung des Pub- likums auf höchstem musikali- schen Niveau Werke von Ludwig van Beethoven, Frédéric Chopin, Franz Liszt, Sergej Rachmaninow und Awas Mansurow, eines zeitgenössischen Komponisten aus Usbekistan, erklingen ließ (die Schwetzinger Woche berichtete). Auf den Tag genau einen Monat später durften sich nun Cornelia Bruno und Manuela Lufaj vom Verein „Aktion Kinderschutz“ darüber freuen, aus den Händen von Tatjana Worm-Sawosskaja und Bezirkskantor und Kirchenmusikdirektor Detlev Helmer den symbolischen Scheck über eine Spende in Höhe von 300 Euro entgegen- zunehmen. Wie die Empfänge- rinnen unisono erklärten, wird dieser Betrag für die Präventi- onsarbeit in Schulen verwendet, die der Verein seit nunmehr 15 Jahren betreibt. Für die Schwet- zinger Woche war diese Spen- denübergabe ein sehr willkom-mener Anlass, mit der Spenden- geberin ins Gespräch zu kom- men.
Schwetzinger Woche (SW): Aus welchem Grund fiel Ihre Ent- scheidung, wer in den Genuss der Spende kommen soll, auf die Aktion Kinderschutz?
Tatjana Worm-Sawosskaja: Vor ein paar Jahren suchte Manuela Lufaj dringend nach Sponsoren für die Unterstützung der ‚Aktion Kinderschutz e.V.‘, um die Präventionsbücher, die ihr Verein kostenlos in den Grundschulen in Schwetzingen und umliegenden Gemeinden verteilt, zu finanzieren. Es passte sehr gut zu meinem Projekt ‚Klassik für alle‘, dessen Aufgabe ist, jedem den Zugang zur klassischen Musik zu ermöglichen und durch die Spenden der Zuhörerinnen und Zuhörer vor Ort zu helfen. So wurde in den letzten Jahren beispielsweise den Vereinen ‚Die Brücke e.V.‘, ‚Kultur für alle‘ aber auch anderen Projekten gehol- fen. Die evangelische Gemeinde hat meinen Vorschlag für gut befunden und so kam es dazu.
SW: In diesen schwierigen Zeiten ist es ja nicht nur, sicher- lich aber auch für Künst- ler, die, wie man mittlerweile so schön sagt, soloselbständig ihre Brötchen verdienen, besonders schwierig. Wie hat sich denn die Corona-Krise auf Ihr Schaffen als Konzertpianis- tin und vor allem auch auf Ihr Klavierstudio ausgewirkt?
Worm-Sawosskaja: Erstaunlicherweise sehr positiv, vielleicht, weil ich der Meinung bin, dass jede Herausforderung ein Potenzial zum Wachstum hat. Den ersten Lockdown habe ich als Zeit-Geschenk wahrgenommen und mich endlich mit den Sachen befasst, für die ich vorher viel zu wenig Zeit hatte. Es war im wahren Sinne des Wortes ein intensives geistiges Wachstum. Infolgedessen habe ich im Sommer insgesamt 14 Solo-Konzerte erfolgreich absolviert, darunter Open- Air-Konzerte ‚Klassik für alle‘ direkt vor der Haustür, Konzert-Premieren wie ‚Polichinelle – der Weg zu Rachmaninow‘, aber auch ‚Klassik für alle‘ im Lutherhaus, in Baden-Baden und in Frankfurt am Main. Im Klavierstudio lief Gott sei Dank auch alles perfekt. Das war nur eine Frage der Organisation, die ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen hervorragend bewältigt habe.
SW: Und wie könnte sich diese Krise, die nach weitverbreiteter Meinung nach noch eine Weile bestehen dürfte, auf Ihr Schaf- fen als Konzertpianistin und vor allem auch auf Ihr Klavier- studio weiter auswirken?
Worm-Sawosskaja: Jammern ist zum Glück nicht meine Stärke. Als Konzertpianistin bin ich es gewohnt, zwei bis drei Jahre im Voraus die Kon- zerte zu planen und in Vorbe- reitung darauf diszipliniert zu leben. Das macht mir wenig aus, dass etwa durch den aktu- ellen Lockdown die Konzerteim November ausgefallen sind. Umso mehr freue ich mich auf die Konzertsaison 2021, nut- ze meine Zeit produktiv und bereite mich auf die geplan- ten Konzerte ‚Winterreise mal anders‘ am 12.und 13. Dezem- ber im Palais Hirsch vor. Im Klavierstudio läuft auch alles bestens. Wir haben ein gutes Hygiene-Konzept, der Prä- senz-Unterricht geht weiter. Die Schülerschaft bereitet sich momentan auf die Adventskon- zerte am 5. und 6. Dezember vor.
SW: Nicht außen vor bleiben sollte womöglich auch noch die Frage, wie Sie die derzeiti- ge Lage generell bewerten?
Worm-Sawosskaja: Mit dem Rückblick auf unsere europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts empfinde ich die momentane Situation nur als eine leichte Prüfung unserer geistigen Stärke. Es ist nicht zu vergleichen, welche Verluste, Traumatisierungen und allgemein schlimme Sachen die Generationen vor uns damals erlebten. Wir leben im Frieden und das ist entscheidend! Wir haben alles zum Leben, niemand verhungert. Vielleicht ist die Zeit gekommen, dass wir uns endlich auf die wahre Werte des Lebens konzentrieren und bescheidener in den materiellen Ansprüchen werden, Zeit für eigene Ange- hörige und Freunde haben, Zeit und Ruhe für sich selbst. Und wenn der Lockdown verlän- gert wird, dann haben wir endlich stressfreie besinnliche Weihnachten, wonach wir uns schon seit Jahrzehnten gesehnt haben.
Die Fragen stellte Werner Popanda
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