28. Juli 2020
SCHWETZINGEN
PALAIS HIRSCH
TATJANA WORM-SAWOSSKAJA BEGEISTERT MIT PREMIERE IHRES RACHMANINOW-SPECIALS
Starke Melodien elektrisieren die Luft Autor: Viktoria Linzer
Konzentriert an den Tasten: Tatjana Worm-Sawosskaja.© Bild Lenhardt
So lange hatte sich das Publikum nach den Konzerten der Schwetzinger Pianistin Tatjana Worm-Sawosskaja gesehnt.Am vergangenen Wochenende ging der Wunsch gleich zweimal in Erfüllung. Unter den gegebenen Sicherheitsvorkehrungen präsentierte Worm- Sawosskaja ihr neues Konzertformat mit dem Titel „Polichinelle – der Weg zu Rachmaninow“. Für den Hörgenuss wurde gut vorgesorgt. Jeder Konzertgänger kam am Eingang am Stand mit Desinfektionsmittel und Mund- Nasen-Schutz vorbei, die Stühle standen im gut gelüfteten Saal des Palais Hirsch in großem Abstand voneinander entfernt, so dass jeder sich eine passenden Platz wählen konnte. Am Sitzplatz angekommen durfte man während des Konzertes frei durchatmen.
Alles was dazwischen lag, glich einer Reise, auf der die Puppe Polichinelle stets zugegen war. Mit seinem Stock schlug Kasperle immer wieder zu und zeigte nur bei einzelnen Stücken sein weiches Herz. Die Geschichte begann 1798 mit Beethoven, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr gefeiert wird, als das Schicksal ihn seines Gehörs beraubte. Der 1. Satz der “Sonate pathétique” spiegelte den Schmerz, den der Komponist durchlebte. Von Beethoven führte die Reise über seinen Schüler Carl Czerny zum großen Komponisten der Romantik, Franz Liszt. “Wie ein Paganini, nur am Klavier” erklärte Worm-Sawosskaja, die zu jedem Werk und Komponisten interessante Fakten und Hintergründe schilderte, untermalt durch Bildprojektionen an der Leinwand.
Von Liszt hörte man wundervolle Werke wie die konzertante Etüde “Un sospiro” oder “Liebestraum”. Doch auch diesen Komponisten ereilte das Schicksal. Im letzten Moment scheitert seine Heirat, da der Papst seine Erlaubnis eine geschiedene Frau zu heiraten, unerwartet zurück zieht. Der unglückliche Komponist zieht sich ins Unterrichten zurück. Die Linie der Schüler, die bei Beethoven begann, führt von Liszt weiter zu A. Siloti, der wiederum mit S. Rachmaninow verwandt ist. Neben dem Hauptstück des Abends, “Polichinelle”, hatte die Pianistin noch weitere Perlen der Klaviermusik des großen russischen Komponisten vorbereitet. Auf die eigensinnige, trübe Etüde cis-Moll op. 33, folgte die Elegie op. 3: Die klare, starke Melodie elektrisierte die Luft im Saal. Mit großen Bewegungen entlud sich die Spannung schließlich in klanggewaltige Kaskaden. Bei der Etude- Tableaux Es-Dur “läuteten die Glocken ganz anders”, so Worm-Sawosskaja. “Das ist Polichinelle, der viel Freude und Glück in seinem Herzen trägt.” Das ganze Konzert über hatte die Puppe vom Tisch aus das Geschehen beobachtet, vor ihr ein alter Koffer. Nun wurde dieser vorsichtig geöffnet und zum Vorschein kamen die russischen, deutschen und italienischen Verwandten Petruschka, Kasperle und Pulcinella. Das Publikum klatschte so kräftig, als ob der ganze Saal voll gewesen wäre und auf die Frage: “Etwas Ruhiges oder etwas Wildes?” entschied man sich für die ruhige Zugabe “Für Elise” und gleich im Anschluss für die wilde “Suggestion diabolique” op. 4 Nr. 4 von S. Prokofjev. Die Resonanz im Publikum war sehr positiv. Zwar vermisste die fleißige Konzertgängerin Renata Sosnowski ein wenig ihren Lieblingskomponisten Chopin, der bisher bei nahezu jedem Konzert dabei gewesen ist, doch das Erlebnis mit Beethoven, Liszt und Rachmaninow im dreidimensionalen Format hatte sie auch dieses Mal völlig überzeugt. Schließlich darf man sich auf diese, Chopin und viele anderen bei den Konzerten “Klassik für alle” freuen, die jeden Freitag, um 19.30 bei schönem Wetter in der Pápa-Straße stattfinden.
Discussion about this post